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David Federmann

Addi Jacobi, der Autor unserer Rubrik seit 1992, führte im Sommer 2004 ein Telefongespräch mit Samuel Federmann, Tel Aviv. Wir geben den Gesprächsverlauf auch in der Diktion getreulich wieder und fügen eine Ergänzung an, die zur Autorisierung des Textes wunschgemäß als Fax und zugleich in Briefgestalt in Chemnitz eintraf.

Addi Jacobi:
Zuerst: Was wollen Sie mir über Ihre Eltern sagen? Wir wissen hier zu wenig um den Weggang aus Chemnitz. Ebenso: Wo liegen sie begraben? Wie kam es zum Weggang?

Samuel Federmann:
Also: 1933, am 30 Januar, wurden bei den vier Geschäften, die wir in Chemnitz hatten, die Fenster eingebrochen. Das war in der Reitbahnstraße, in der Theaterstraße, in der Dresdner Straße und in der Äußeren Klosterstraße.
Mein Vater wurde in der Reitbahnstraße 39, wo das Hauptgeschäft war, später aus der Bäckerei herausgeholt, und in die Logenstraße gebracht. Dort hatten KPD-Trupps Wahl-Losungen an die Wände gemalt. Vater und andere jüdische Geschäftsbesitzer aus dieser Gegend wurden herausgeholt und mußten die Wände reinwaschen. Es gab dort viele Geschäfte Wiesenstraße, Reitbahnstraße, Annenstraße, Moritzstraße.
Mein Vater wurde herausgeholt, um die Aufschriften wegzuwaschen und nach kurzer Zeit schickte er jemand in die Reitbahnstraße ins Geschäft, um Eimer und Bürsten zu holen, um nicht mit Zahnbürsten die Farbe abwaschen zu müssen. Daraufhin hat man gesagt, oh, du bist klug, du kannst nach Hause gehen. Das war der Anfang der Erfahrungen, die wir gesammelt haben. Am selben Tag wurde auch der älteste Bruder, Paul, verhaftet, geboren 1911, also 22 Jahre alt, und ins Braune Haus gebracht, weil er mit `ner roten Fahne `rumgezogen ist. Weil er nicht in der Partei war - am nächsten Tag wieder freigelassen. Das war der Anfang unserer ...

AJ: Odyssee?

S.F. Ja.

AJ: Wie sind Sie weggekommen aus Chemnitz? Und wann?

SF. 1936 sind dann meine Eltern ..., nachdem dann die Geschäfte selbstverständlich unter dem Boykott gelitten haben... Weil unsere Kundschaft sogar zum größten Teil aus der christlichen Bevölkerung bestand, mußten wir langsam die Filialen schließen und 1936 - nachdem mein ältester Bruder Paul schon 1935 ausgewandert ist nach Belgien, - sind meine Eltern dann Ende 1936 nach Belgien ausgewandert.

AJ: Wann sind Ihre Eltern in Palästina/Israel angekommen?

SF: Das ist eine lange Geschichte...

AJ Ich werde kurz dazwischenfragen...

SF: In Belgien haben meine Eltern eine neue Bäckerei/Konditorei gekauft, 1940 bei dem Angriff der Wehrmacht auf Brüssel sind wir dann über Ostende-Paris geflohen, d.h. am 10. Mai war die Invasion, am 15. Mai sind mein Vater und ich fast durchweg zu Fuß bis Ostende nach Paris gegangen, ... Dort hat man mich mehr oder weniger gefaßt, d.h. ich habe mich gemeldet, weil ich ein polnischer Staatsbürger war durch meine Eltern, und wurde ins Militär geschickt/gesteckt (undeutlich Anm. A.J.). Meine Eltern wurden nach Südfrankreich geschickt. Nach der Amnestie ging ich dorthin. Zwei Monate später gingen wir nach Spanien, ich landete in einem Konzentrationslager in Spanien und meine Eltern gingen nach Lissabon. Von dort wurden sie nach Yameika verschifft, weil man in Portugal nicht soviele Flüchtlinge aufnehmen konnte. Yameika blieben sie bis 1945, also fünf Jahre. Mein Bruder Paul, der auch ausgewandert ist und inzwischen in Kuba gelandet war, hat die Eltern nach Kuba geholt. Er ist weiter nach Mexiko. Meine Eltern blieben bis 1947 auf Kuba, bis wir Kinder sie dann 1947 nach Palästina brachten/bringen konnten.

AJ: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum der Name Ihrer Familie, die lange Jahre in Chemnitz lebte und tätig war, nicht in dem großem Band "Juden in Chemnitz" aufgenommen ist? Eine Erklärung wäre die Idee, ausschließlich in Chemnitz beigesetzt liegende Juden mit Biografien zu skizzieren? Begrenzt also auf den Jüdischen Friedhof auf dem Kaßberg? Im Editorial findet sich aber kein Verweis auf diese sonst nicht erklärbare ‚Auslese‘? - Die Synagoge auf dem Kaßberg aber war Ihnen und Ihrer Familie, denke ich, und gut bekannt und vertraut...

SF: Selbstverständlich. In dem Buch ist nur ein ganz kurzer Hinweis auf die Bäckerei David Federmann mit einer Fotografie, aber alles andere war nicht erwähnt.

AJ: Keine Biografie zu den Federmanns, kein Emigrationsweg. Das erscheint mir unangemessen... Mit solchen Biografien sollte anders umgegangen werden.
Wir haben - ein Beispiel - in der Reihe "Chemnitzer Köpfe" kürzlich an Erich Gottgetreu erinnert. Ist er Ihnen bekannt? Oder Perez Lechem/Lichtenstein, Botschafter Israels in Köln, als es noch gar keine Botschaft in der BRD gab- ebenfalls aus Chemnitz stammend...

SF. Der Name Erich Gottgetreu ist mir bekannt, aber wir haben einander wohl nicht unmittelbar persönlich gekannt.
Perez Lechem kenne ich sehr gut. Noch aus Chemnitz. Fritz Lichtenstein ist noch vor 1944 ausgewandert. Meine Eltern haben noch danach jedes Jahr Christstollen nach Palästina geschickt. Er war in einem Kibuz hier und wurde dann nach 1950 in Köln für Israel tätig. Er ist mir sehr gut bekannt und ich kann mich noch sehr gut an ihn erinnern.

AJ: Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?

SF. Zuletzt noch ein-, zweimal bei einem Treffen der Chemnitzer. Wir hatten hier solche "Treffen der Chemnitzer", sechs oder sieben Jahre, da hatten wir noch genügend Chemnitzer für ein Treffen.

Sie wollten noch wissen, wo die Eltern begraben sind.

Mein Vater ist 59 gestorben und meine Mutter im Jahre 68. Sie sind hier in Tel Aviv begraben.

AJ: Dort auch Ihr Bruder Yekutiel?

SF: Mein Bruder hat außerhalb Tel Avivs gewohnt. Er wurde vor zweieinhalb Jahren in Herzlia beerdigt.

AJ: Nach jüdischem Ritual sind Nekrologe zur Würdigung des Verstorbenen nicht immer möglich...

SF: Beisetzungen mit Worten zur Biografie der verstorbenen Person gibt es nur an normalen Wochentagen, an Feiertagen ist das nicht möglich.

AJ: Wer hat bei der Beisetzung Ihres Bruder Yeketil gesprochen?

SF: Shimon Perez.

AJ: Ist der Wortlaut überliefert, erhalten?

SF: Ich denke nein. Ich werde mich bei meinem Neffen danach erkundigen.

AJ: Oh, ich bitte Sie sehr darum! Ich möchte ihn gern bei einem "Chemnitzer Totengedenken" zum Volkstrauertag zur Geltung bringen, später gern drucken...
Herr Federmann, Sie sprechen von der nächstfolgenden Generation. Wie geht es mit den Yekutiels, überhaupt mit den Federmanns weiter - familiär?

SF: Die Sippe ist weiter gewachen. Yekutiel hat zwei Kinder und der Michael, der Micky, ist jetzt der Vorsitzende der DAN-Hotels. Ich bin ein Teilhaber. Aber der Michael ist, nachdem der Großteil der Gesellschaft in Besitz meines Bruders war, der Chairman der Gesellschaft und mein Sohn ist der Vize-Chairman ... Es gibt Enkelkinder: Der eine ist jetzt in Freiberg tätig ...
Der Sohn meines Neffen, der heute in Freiberg ist, - sein Name ist David Federmann. Am 28., Freitag, fährt er wieder nach Freiberg... Er nimmt das Buch mit den Illustrationen für Sie mit...

AJ: Ich möchte möchte das Buch später in den Bestand des Regionalkundlichen Kabinetts der Stadtbibliothek in aller Form übergeben. Habe ich dazu Ihre Erlaubnis?

SF. Ja, dazu haben Sie meine Erlaubnis.

AJ: Ich bedanke mich sehr. - Nochmal bitte zurück zu Fritz Lichtenstein. Haben Sie ein Portätfoto von ihm - das ist hier sehr schwierig für mich, es kennenzulernen, zu beschaffen...

SF: Ich könnte Ihnen einen Vorschlag machen: Wenden Sie sich an die Botschaft in Berlin.

AJ: Da war ich schon einmal vorstellig geworden, per Fax, brieflich - ohne Resultat. Bin wohl das Licht zu klein. Darf ich unter Bezug auf Ihren Vorschlag es nochmal versuchen?

SF: Tun Sie das, gern. Ich sehe ihn in meiner Vorstellung, deutlich, habe kein Foto aus Papier. Und weiß auch nicht, wie ich die Familie erreichen könnte.

AJ: Letzte Frage für heute: Unser Chemnitzer Oberbürgermeister Dr. Peter Seifert hat sich vor einigen Jahren in einem Ihrer DAN-Hotels aufgehalten. Gab es häufige Kontakte zwischen ihnen?

SF: Das erste Mal war es bei der Oper in Chemnitz, "Der Weg der Verheißung", Dr. Seifert war dann - zuvor oder danach, das weiß ich jetzt nicht mehr sofort - er war im Don-ACCADIA-Hotel, ich weiß, dass er sich sehr wohl gefühlt hat. Das ist etwa 15 Kilometer von hier, direkt am Meer - Sie werden es im Buch sehen. Dr. Seifert schrieb mir zum Geburtstag, ich ebenso..

AJ: Die Chemnitzer Neue Synagoge kennen Sie noch nicht persönlich?

SF: Ich habe beglückwünscht zur Vollendung und einen Beitrag geschickt.

AJ: Allerbesten Dank, lieber Herr Federmann, für die Zeit, die Sie sich für dieses Telefongespräch genommen haben und beste Wünsche Ihnen und Ihrer Familie.

SF: Ich danke auch. Grüßen Sie Herrn Gelhar und beste Besserung für Ihre Frau.

AJ: Ich bedanke mich ganz sehr.

 

Es folgt der Federmann-Text gemäß Brief vom 28. September 2004 an Addi Jacobi, D-09112 Chemnitz, Kaßbergstraße 5 d, anschließend der Redetext Shimon Perez‘, der uns vom Ministery of Foreign Affairs - Foreign Ministers Bureau dank Samuel Federmann vorliegt. Shimon Perez Worte am Grab von Yekutiel Federmann (20. Januar 2002) kommen/kamen am 14. November beim "Chemnitzer Totengedenken 2004" im Wortlaut zum feierlichen Vortrag.

In seinem Schreiben geht S. Federmann auch auf weitere, nachträgliche Fragen ein, die im Begleitbrief zum Korrekturersuchen enthalten waren. Sie werden zuerst nachstehend zitiert: Begleitbrief (PDF, 474 kB)
Addi Jacobi

 

 

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