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Gerhard Klampaeckel

 

Gerhard Klampäckel

Das Exotische an ihm war sein besonderer Wert, ein zusätzlicher. Da war meist ein Duft der Weite und der nicht-konservativen Empfindungen, Bewertungen, in Sprache, Pinselstrich und Farbkraft. Der Mann, der bei jedem Wetter von Gablenz nach Heinersdorf in sein unprätentiöses Atelier radelte, hatte sein kraftvolles Elixier in allen Gliedern, ganz fokussiert aber in der Strahlkraft der Augen. Wie kein anderer wohl weithin konnte Klampäckel Amtsmenschen und Ost-Nomenklatura schon mit seiner Herkunft verunsichern: Geboren auf Samoa, Vaitele. Die Südsee-Insel hatte er mit seinen Eltern gemäß Versailler Vertrag nach dem 1. Weltkrieg zu verlassen, kam nach Glauchau, wurde Soldat und Kriegsgefangener, Student dann an der Dresdner Akademie (Max Schwimmer) ab 1949 und seit 1955 freischaffend in Karl-Marx-Stadt. 78 Jahre ist er alt geworden, jetzt ist er schon wieder zehn Jahre unter der Erde.

Solch einer musste anecken. Wo sich heute Zuspruch und Resonanz über Marktgebaren reguliert, hatten zuvor in Diktaturen andere Instrumente ihre Funktion: "Versteckt, zerhackt, getreten" wurden Gerhard Klampäckels Bildwerke mehrfach, wie ein Zeitungsartikel einst summarisch titelte.

"Früher habe ich verschlüsselte Sachen gemacht mit allen möglichen Bezüglichkeiten", war von ihm zu hören. Andererseits spüre er, 1995, eine Ohnmacht zur Opposition. "Alles, was ich durch das Auge inhaliere, ist nicht das einzige, was ich wahrnehme. Ich sehe Gefahren außerhalb der optischen Wahrnehmung." Wenn auch seinen großen Wandgemälden zumeist ein kurzes Dasein beschieden war, sprühte Gerhard bis zuletzt kraftvoll und energisch für die künstlerisch expressiv-knallige Belebung des Chemnitzer Stadtraumes: "In diese Stadt gehört mal etwas lustiges, farbiges. Bronzenes und Steinernes gibt es viel", hat der Autor Klampäckels Plädoyer im Ohr. Dass er in der Zeit der KSZE-Reiselockerung für Personalausstellungen als DDR-Künstler in Anspruch genommen wurde (Düsseldorf, Nürnberg) oder gar Anfang der 80er Jahre als Professor zeitweilig in München lehrte, war ihm offenbar damals längst notwendiger, überfälliger Schritt zur Normalität im viel beschworenen "Selbstbestimmungsrecht der Völker" und keines besonderen Aufhebens wert.

Klampäckels Oeuvre kunsthistorisch zu bewerten, sei anderen in anderer Zeit vorbehalten. Die Freiheit der ungestraften Gedankenäußerung, die Freiheit des Wortes, blieb ihm kostbarstes Gut. Zu seinem Künstlernachlass zählt sein Ausreiseantrag ebenso wie die massiven Beweise für sensible Talent- und Charakterförderung junger Kollegen, die mit seiner Hilfe das Laufen lernten im Umgang mit der Obrigkeit. Was (oder wer?) mag ihm da die Feder geführt haben, als nach einer massiven SED-Kritik zu seinem grafischen und malerischen Schaffen in spätstalinistischer Zeit im Bezirksorgan zu lesen war: "Ich bekenne, dass ich mich damit, wenn auch unbewusst und ungewollt, aber in der Tat außerhalb der Arbeiterklasse gestellt habe, und sehe ein, dass ich damit unseren sozialistischen Aufbau nicht fördern kann." Und weiter: "Ich werde mich in meinem zukünftigen Schaffen bemühen, mit all meinen künstlerischen Möglichkeiten der Arbeiterklasse, der fortschrittlichsten Klasse im Kampf um den Frieden, bessere Dienste zu erweisen." (ausführlich VS 3. Mai 1958) Zeiten waren das! Solch bestellte "Stellungnahme", leicht durchschaubar und doch unantastbar, bleibt ein Zeitzeugnis damaliger Künstlerwege. Wie stark Klampäckel mit künstlerischen Mitteln zu kompensieren wusste, zeigten stets die reifen Bleistiftzeichnungen und die Großformate der späten Jahre, die auch Werner Ballarin gerecht würdigte.

Gerhard Klampäckel zählte frühzeitig zu den Initiatoren der Karl-Marx-Städter "Verkaufsgenossenschaft bildender Künstler", der Keimzelle der späteren "Galerie oben" am Markt. Da war stets Trouble mit der Obrigkeit akut und selbst engste Künstlerkollegen erwiesen sich bei Aktendurchsicht als Abschöpfer im Dienst des Klassenkampfs, der Embargos und beiderseits erbitterten Konfrontationen.

In einem Falle hat es Klampäckel direkt darauf angelegt, "getreten" zu werden: Seine "Windrose" (1965) im Fußgängerbereich Rosenhof zeigte bildhaft in unerreichbare Weiten (Paris) oder in nicht eingelöste Planungsversprechen (Puppenbühne). Als ein Stück Zeitgeschichte hat sie inzwischen seit Herbst 2002 - leicht verrückt, doch mit Sorgfalt bewahrt - ihr neues Wirkungsfeld direkt am "Türmer"-Neubau. Betreten erwünscht!

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi