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Klaus Lettke

 

Klaus Lettke

Der große Lothar Kusche aus seligen "Weltbühne"-Zeiten nennt ihn heute einen "Gebrauchslyriker, wie der berühmte Erich Kästner einer war". Warum nicht? Kästner aus Dresden, Lettke aus Chemnitz besonders wohl von der Gablenzer Gegend an der Albrechtstraße: "Obwohl man es gewöhnlich so hört,/regt sich in mir der Verdacht,/ dass uns nicht Macht der Gewohnheit stört, /sondern Gewohnheit der Macht." Oh! Hoppla!! Genau. Vater Horizontalbohrer, "Mechaniker", Sohn nach Volksschule Elektriker-Lehrling im Gaswerk an der Straße der Nationen (heute Sitz Erdgas). Also weit vor der Azubi-Sprache im VEB Energieversorgung, als das HKW Nord erst ersonnen wurde und die Turbinen noch im Eltwerk an der Müllerstraße Strom erzeugten.

Der Stoff liegt auf der Straße, damals und heute. Also ist da kein Mangel an Veranlassung: "Sie derfen mir nicht beese sein, ich bin der Schorsch aus Reitzenhain" ist dabei eine Spielart, längst das Markenzeichen einer Figur. Selbst anspruchsvolle Quodlibets habe ich bei ihm gefunden, pointiert zu elf Gassenhauern der Oldtimer-Ära. So ist herausfordernder Bedarf in der neuen Vorwendezeit auf allen Ebenen erkennbar "in freier Luft des Atem frei zu heben."
Der Chemnitzer Brettl-Profi Klaus Lettke, durchaus längst gern Berliner (mitsamt seiner gleichfalls von der Chemnitz stammenden Ehefrau) sammelte mit gewisser Ost-Normalität zuerst im Ensemble der Deutschen Grenzpolizei, dem Hans-Beimler-Ensemble, dann im Erich-Weinert-Ensemble mit Text und Klang Podiumssicherheit, schrieb auch für die "Distel" und trug seine Zeitstudien etwa in der ND-Druckerei oder beim "Dienstleistungsamt für ausländische Vertretungen" zusammen, allezeit als Elektromonteur. Die Talenteküche "Eulenspiegel" erlebte ihn zwei Jahre als Redakteur; erst seit 1983 galt Klaus Lettke als freischaffend, freilich nach Studium am Leipziger Literaturinstitut und mithin speziell wohlsituiert im Schriftstellerverband.
Schreiben aber musste er immer noch ohne Fremdhilfe: Hier das Blatt, hier der Stift, oben der Kopf. Doppeldeutig. Eindeutig, Unterschwellig. Kaum subversiv-diversantisch - im Sinne des DDR-Sprachgebrauchs.

Kabarett aber war an der Chemnitz auch in Karl-Marx-Städter Jahren gern am Ball, wobei der Helmut Weimershauß und seine Industriewerker-Truppe zeitig ausprobierten, wie heftig hier eine Lippe zu riskieren war. Und Reiner Otto vom Rosenhof, der spätere Pfeffermüller, schaffte es mit seiner Spielart gerade bis zur Voraufführung im Klub "Roter Turm", um tags drauf Spielverbot dank Sekretärswort auszukosten: Rudi Scharrer sprach bayerischen Dialekt von Haus aus. Jaja, der Reiner Otto! Otto verließ spornstreichs die Stadt. Als strategisch-dramaturgischer Kopf seit 1964 bei der Leipziger Pfeffermühle, einer städtischen Einrichtung, schaffte er es dann nach treuer Autorenarbeit mit Siegfried Mahler (der 1979 in Ungnade fiel) oder weithin allein als Autor und Leiter tätig, mit allerlei diplomatischer Raffinessen in den 80er Jahren endlich gar ein bundesdeutsches Kabarett-Schwergewicht wie Dieter Hildebrandt mitsamt Schneyder zu umjubelten Gastspielen an die Pleiße zu holen.

Auf seinen Podien schaufelt sich der Chemnitzer kabarettistische Verseschmied mit Hochspannungskenntnis Raum für Resonanz frei, spontan selbst auf Buchmessen mit seiner jüngsten Sammlung zu Harald-Kretzschmar-Karikaturen: "Von nun an ging's bergab."
Oft genug in Diktion und Versmaß eines Eugen Roth und gern mit der kabarettistischen Schlagkraft eines Erich Weinert der Weimarer Brettl-Jahre gibt Klaus Lettke seine Sentenzen forsch dem hellwachen Publikum zum Vergnügen auf den Weg. Man blättert in der Sächsischen Landesbibliothek in seinem 1987er Bändchen "Ein Stein, ein Kalk, ein Kran" und vernimmt mit leichtem Gruselschauer, wie weit es mit einem redlichen Elektromonteur des VEB Energieversorgung Karl-Marx-Stadt in der DDR-Endzeit so kommen konnte: Spiegelbilder ohne Aussicht auf Besserung - also moralische Seitenhiebe im Spielraum zwischen Ventil und Feigenblatt, in den Grenzen der viel erwähnten "Diktatur des Proletariats", als das Experiment schon verdorben war.

Der noch unvollendete satirische Roman übers Bauwesen aus der Schublade, den er jetzt mit BRD-Szenen zu Ende schreiben will verspricht eine gesamtdeutsche Sicht auf er-bau-liche Sachverhalte: "systemübergreifend". Pluralismus will gelebt sein, erprobt, verteidigt wie pure Demokratie - oder so ähnlich.

1988 erschien Lettkes Bändchen "Vers- und Pferdefüße mit und ohne Behuf", das man heute schnell aus der Einsiedler Gemeindebibliothek erhält. Für mich ist darin der Vierzeiler "Vielleicht" der Favorit für den Kernzustand des unverfrorenen Zeitgenossen Klaus Lettke: "Ich schlag' euch meine Verse um die Ohren und bin doch selbst ein Stück von unserem Wir. Vielleicht bin ich nach außen unverfroren, um nicht zu zeigen, wie ich innen frie'r".

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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