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Peter Haertling

 

Peter Härtling

Als Untertitel hat Härtling für seinen 1996 erschienenen Roman "Schumanns Schatten" die heutige Rubrik-Überschrift gebraucht, vorgegeben, und so gleichsam die Fülle literarischer und authentischer Gestalten seines Schriftsteller-Lebens umschlossen. Peter Härtling ist als Kontrapunkt seiner Sanftheit ein Riese deutscher Zunge, deutscher Sage und Schreibe.
Vater Härtling hatte sich 1932 nach seinem Studium der Jurisprudenz in Chemnitz niedergelassen, nach Feierabend fuhr er von der Kaßberg-Kanzlei nach Hartmannsdorf zu Frau und Kindern, unterhielt dort auch später sein Büro. Bei Kriegsende zählte Peter Härtling zwölf Jahre, seine weiteren Jahrzehnte sahen Frankfurt-Mörfelden als topografischen Mittelpunkt. Schaffensmittelpunkt aber wurden "Personen in vielfältigen Variationen": Waiblinger, Bozena, Hölderlin, später Hirbel, Niembsch, Guttmann - ein umfangreiches Werk, das zur besonders gefragten deutschen Literatur im seriösen Bereich des Buchhandels und der Bibliotheken gehört, gottlob intensiv auch in den speziellen Kinderbibliotheken.
Die Zeiten des deutschlandweit eiskalten Krieges brachten es mit sich, dass Härtlings Kinderbücher, Romane und Essays angesichts Verlegerränke oder Valutaausreden bis Mitte der 80er Jahre im Osten eher unter verlässlichen Freunden von Hand zu Hand als über den Ladentisch gehen konnten. So zählte Härtling auch zuletzt zur Verhandlungsmasse bei den mühseligen Kontakten des gemäß KSZE-Konferenz Helsinki unumgänglich gewordenen deutsch-deutschen Kulturaustauschs. Sein Schaffen hat das Polit-Geschehen wohl eher beflügelt oder direkt tangiert denn gebremst, und so sind erfreulich oft in Härtlings Schriften Szenen sächsisch-mährischen Geschehens auffindbar. Auch seiner Geburtsstadt Chemnitz blieb Härtling derart erkennbar verbunden.
Jüngst erschien nun eine Doppel-CD "Ein Porträt in Gedichten und Liedern", Zyklen, die von der Annäherung zeitgenössischer Komponisten (Klebe, Killmayer, Heinen, Komme, Rihm) an das lyrische Werk Härtlings künden. Bald soll die Sammlung, die vielfach auch Lesungen Härtlings in jener unsagbar behutsamen Vortragsweise wiedergibt, zum Bestand des regionalkundlichen Kabinetts der Stadtbibliothek gehören, bestimmt zum Bewahren und Verbreiten nach Art des bibliophilen Respekts vor unvergänglichen Worten und Werten: "Mein Gott, warum verlässt du uns immer wieder? Wann kommt deine Zeit? Wann unsere? Städte gibt es, Gegenden, in denen Kinder unterwegs ohne Hut, ohne Hilfe, hung-rig nach Liebe, krank von der herrschenden Gemeinheit und von Drogen. Städte gibt es, Gegenden, in denen Kinder totgeschlagen werden oder erschossen wie - - - und keine Seele schreit oder fängt Feuer und die Erde reißt nicht." (Lamento von Peter Härtling, Komposition Giselher Klebe, jüngst in Chemnitz zu hören dank Ursel Schmitz in der "Gedenkmatinee zur Erinnerung an die Bombenopfer des 5. März 1945").
Härtling las (endlich und zuerst zugleich) 1997 in den Tagen des VS-Schriftstellerkongresses auf der Bühne des Chemnitzer Opernhauses und in den Kunstsammlungen. Bald nun folgt zu Kammermusik im Schauspielhaus eine Lesung aus "Schumanns Schatten" im Kreise der Chemnitzer Philharmoniker (21. April, 19.30 Uhr). Härtlings Leseauswahl wird bedeutungsvoll sein. Mit demutsvoller Gespanntheit warte ich auf einen Satz, den Härtling Tobias Klingelfeld zuschreibt: "Er hört, wie der Atem leiser wird. Und dann atmet er nur noch einmal aus." Der andachtsvolle Pfleger an Schumanns Totenbett "sieht zu, wie sich die Züge in dem Gesicht ordnen und entfernen." - Danke, Peter Härtling für alle Sanftheit. Und für alle Entschlossenheit.

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi