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Rudi Seidel

 

Rudi Seidel

Stadtfotograf der ,ersten Stunde’

In einer einfachen Windjacke tauchte er zu jeder Stunde überall mit seiner kleinen "Leica" auf, fotografierte Präsidien der antifaschistischen Stadtführung, Kulturereignisse vor Trümmerszenerien, überhaupt alle wichtigen Begebenheiten zwischen Bombentrichtern und Neuaufbau in Chemnitz. Jedes Bild der zerstörten Industriestadt wurde in einem kleinen Oktavheft mit der ganzen Personage verzeichnet - winzige Handschrift, spitzer Bleistift, lesbar als Dokument - dann verschwand der Fotoreporter Rudi Seidel in Richtung Dunkelkammer: Claußstraße 74, 2. Etage, im Badezimmer wurde entwickelt, fixiert, getrocknet. So ist auch seine Fotoreportage mit Anastas Mikojan am 9. Oktober 1961 überliefert: zwischen Begrüßung am Chemnitzer Hof, dem Akt der Ehrenbürgerschaft im VEB Modul und einem Spaziergang im Stadtpark. Dem ehemaligen Mitglied des Präsidiums des ZK der KpdSU und 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR war er einen ganzen Tag gefolgt.
Die Chemnitzer Szene hatte seit den 1930er Jahren den Schritt vom Fotoluxus zum sozial interessierten Dokumentenreport vollzogen. Als die Stadt dann in Trümmern lag, mussten einschlägige Apparate der Besatzungsmacht übergeben werden, Rollfilme waren "bewirtschaftet", also nur per Bezugsschein zu kaufen wie Einkochgläser, Töpfe, Wäsche, Mehl. Rudi Seidel gewann das Vertrauen des städtischen Nachrichtenamtes, hütete seine Ausrüstung und hinterließ uns nach seinem Tode 1964 eine einzigartige Sammlung kostbarer Negative zur Stadtgeschichte der Nachkriegszeit. Wenn heute Bildbände herausgebracht und Veranstaltungen authentisch illustriert werden können, dann müsste jedes Mal Rudi Seidels Name laut und dankbar gerufen werden oder deutlich aufleuchten. Bankangestellter war Rudolf Seidel bis Kriegsende am Beckerplatz, dann fotografierte er dort seine Kolleginnen als Trümmerfrauen vor den Ruinenwänden und Schuttbergen beim Arbeitseinsatz. Waghalsig erklomm er Giebelreste bis zur Bodenkammerhöhe - nur so ist sein riesiges Trümmerpanorama aus sieben anschlussgenauen Einzelfotos vom Frühjahr '46 entstanden. Erst weit später kamen in Chemnitz weitere Fotoreporter hinzu, Büschel, Fritzsch, Heintze... Alles ringsum fotografierte Rudi Seidel - nur von sich selbst ist kein Bildnis überliefert. So zeigen wir an seinem Platz ein detailreiches Seidel-Foto vom 13. Juni 1947 von der Ruine Friedrichplatz 1, nahezu komponiert wie ein Gemälde oder eben mit Seidelblick erkannt.
Bald nach dem Tode Rudi Seidels wurde dafür gesorgt, sein komplettes Negativarchiv mit wohl über 50.000 Aufnahmen und alle Terminnotizen ins Stadtarchiv zu überführen - in das weitgehend vollständige Stadtgedächtnis der Szenerien und Biografien Chemnitzer und Karl-Marx-Städter Jahrzehnte. Allein dieser Rudi-Seidel-Fundus ist eine Schatzkammer, die noch immer der systematischen Erschließung und hoher Ehrung harrt. Da bleibt Sorgfalt gewünscht, Sicherheit und zeitnahe Bewertung - im Dienste der Heimatpflege.


Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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