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Bernhard Kuhnt

 

Amtshauptmann Bernhard Kuhnt

In die Geschichtsbücher ist er primär in Bezug zu dem bitteren Akt in Chemnitz eingetragen. Da gebietet es sich, auch ihn in unserer Rubrik zu verzeichnen. Weder hier geboren noch gestorben, ist Bernhard Kuhnts Lebensweg in Chemnitz auf einem jahrzehntelangen Scheitelpunkt. Als gebürtiger Leipziger lernte er Schlosser und wurde 1897 kaiserlicher Marinesoldat. Bis ihn kurz nach dem Machtantritt die Hitlermänner griffen, am hellichten Tag auf einen Handwagen packten und im Triumphmarsch durch die Straßen ziehen ließen (historisches Foto), hatte er 22 Jahre für seine sozialdemokratische Position erste Autorität erworben: 1920 wurde Bernhard Kuhnt Abgeordneter des Deutschen Reichstages für den Wahlkreis Chemnitz/Zwickau und blieb es bis zur Inthronisierung Hitlers.

Alle Weimarer Demokratie war vergessen, als der Kanzler daran ging, politische Gegner auszuhebeln, beginnend mit dem Auflösen ganzer Parteien, dem Verbot freier Gewerkschaften zugunsten einer "Deutschen Arbeitsfront". Folgt man den Angaben des Historiker-Bandes "Karl-Marx-Stadt" (Berlin 1988), begann zuerst die Hetzjagd auf KPD-Genossen, ehe am Druckereigebäude der "Volksstimme" der sozialdemokratische Geschäftsführer Georg Landgraf erschossen und schließlich auch die SPD am 22. Juni 1932 verboten wurde; ihr 15 Mandate im Stadtparlament wurden schlicht "anulliert".

Bernhard Kuhnt starb kurz nach Kriegsende. Während die Peter-Unger-Genossenschaft 1989 mitteilt, dass Kuhnt 1938 wieder nach Kiel gegangen sei, steht "Droste" (s. a. S. 30) eine anderer Quelle zur Verfügung, derzufolge Kuhnt lange in Berlin tätig sein dürfte und in Verbindung mit Reichspräsident a. D. Paul Löbe handelt, dem späteren ersten Alterspräsidenten des Deutschen Bundestages. Im "Droste" ist manch Einzelheit zum Schicksal des seit 1920 als Reichstagsabgeordneter und Amtshauptmann im eigenen Wahlkreis Tätigen zu erfahren.
Die öffentliche Demütigung durch den SA-Marinesturm Chemnitz erfolgte in der Zeit der über ihn verhängten Schutzhaft. "Man setzte den alten invaliden Mann in eine Kohlenkarre, die von zwei sozialdemokratischen Stadträten gezogen werden musste. Diese beschämende Szene wurde fotografiert; mit entsprechenden Postkarten ging die SA dann hausieren", ist zu lesen. Am 15. Juni 1911 trat Kuhnt sein Amt für die schließlich 14320 Chemnitzer SPD-Mitglieder an, das er nur verließ, um 1918/19 als Präsident der Republik Oldenburg zu agieren. Dort, wie bei anderer Gelegenheit, kam Kuhn mit Gustav Noske in Kollision, bekanntermaßen ein weiterer "Chemnitzer Kopf", der in seiner Nähe zu Anti-Hitler-Verschwörungen doch nur um Haaresbreite des Urteil des Freislerschen Volksgerichtshofes entging. - Zwei Chemnitzer im Reichstag. Mit höchst unterschiedlichen Wegen freilich, trotz gleichen Parteibuchs, reizvoll im Vergleich der Biografien, nicht nur für historische Untersuchungen, sondern durchaus auch als ungenutztes literarisches Sujet.

Kurz vor dem Goldenen Hahn am Niedereinsiedler Wald ist eine Häuserzeile "Bernhard - Kuhnt - Weg" benannt. Vielleicht wohnte er dort, sonst erschiene es als typisch und zu gering zugleich. Im großen "Ehrenhain der Sozialisten" an der Wartburgstraße ist sein Name auch nicht auf den Edelstahltafeln zu finden, es war zu befürchten. Aber dort ist eh Nacharbeit nötig.

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi