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Ernst Klaar

 

Ernst Klaar

Die Lieder und Texte des Ernst Klaar

Kaum Dreißig war der stattliche Bärtige, als er sich im Photoatelier zum ,Portrait‘ niederließ. Ernst Klaar (1861 - 1920) gehört zu den frühesten Chemnitzer Autoren, sechs Jahre älter als die zugezogene Hedwig Courths-Mahler von der Lohstraße, 15 Jahre jünger auch als der gleichfalls zugezogene, literarisch emsige Professor Anton Ohorn von der Kaßbergstraße, dafür aber ein hier geborener mit stark veranlagter sozialdemokratischer Prägung.

Als Klaars Eltern hinaus nach Kappel zogen, gab es dort noch eine "Dorfschule", der Vorort bereitete sich noch bis 1900 auf die Eingemeindung vor. Ernst Klaars Schriftsetzerlehre aber sah ihn wieder in Chemnitz, wo er sich auch in die Schülerlisten der Fortbildungsschule des Chemnitzer Handwerkervereins eintrug. Dann aber machte sich Ernst auf die Strümpfe, auf Wanderschaft, durchzog die Schweiz und Oberitalien, Österreich, Luxemburg und Dänemark, so daß er seine spätere literarische Lebensleistung als Lyriker und Publizist auf ein gutes Quantum kritscher Weltsicht gründen konnte. Auch für volkstümliche Schwänke war sich Ernst Klaar beileibe nicht zu fein - schließlich stand er in jenen Verhältnissen, wie sie ein Willi Bredel in seinem Roman "Die Väter" sehr prägend beschrieben hat.
Ernst Klaar stand eng in Dienst und Auftrag seiner SPD. Turner- und Massenlieder sind überliefert, Prologe für Veranstaltungen, wie sie damals wie eine Tagesschau oder ein Wochenspiegel usus waren. Sein Lyrikband "Knute und Bombe" geißelt 1905 zaristische Verhältnisse und setzt - dafür steht die Metapher der Bombe im Titel - seine anarchistischen Positionen als Gegenpol. Der "Süddeutsche Positillon" birgt aus Klaars Feder neben vielen Versen mancherlei Erzählungen, Humoresken, Skizzen und Gesellschaftssatiren, über die man heute lächeln kann, ohne freilich genau absehen zu können, wie künftige europäische Generationen deutscher Nationalität zu ihrer Zeit über heutige Politprominenzen und die Vortragskunstvarianten der frühen Internetzeit urteilen. Es ist erst hundert Jahre her, daß der Chemnitzer Ernst Klaar seine Lebensgenossen schilderte: "Menschen gebeugt von der Arbeitslast, totenähnlich im Schlummer, hinter der spärlichen Lampe Glast saß bei der Nadel der Kummer. Windschief die Hütten und morsch das Gebälk, öde die niederen Stuben" usw. Unbekannt heute, wie oft Klaar nach Chemnitz zurückkehrte, auf jeden Fall aber durch seine Anthologien und Stücke, die bei ihren Adressaten wohl akzeptiert, gewiß in Gebrauch oder bekannt waren.
Auch durch frühe sozialdemokratische Redakteure und Autoren wie Most und Vahlteich, wie Max Kegel und schließlich Ernst Klaar ist der Chemnitzer Anteil früher sozialkritischer Autoren weder gering noch unbedeutend, woraus sich ein weiteres Mal erklärt, warum Chemnitz lange als rote Stadt reichsweit bekannt war. Wenn gesagt wird, Max Kegel habe die Impulse für seinen "Sozialistenmarsch" auch in Chemnitz empfangen, mag auch Ernst Klaars zeitübergreifendes Poem "Dem Andenken der Kommune" von jenen Gebaren beeinflußt sein, daß ihn hier prägend umgab: "Es weicht die Protzenrepublik dem ersten Sturm der Masse!"

Vielleicht gab es mehrere Gründe dafür, daß Ernst Klaar zwischen Rügen und Fichtelberg vergleichsweise wenig Nachruhm seit 1946 zuteil wurde, mag das an seiner sozialdemokratischen Herkunft und Gesinnung gelegen haben, speziell jedoch auch sicher daran, daß der als Redakteur des "Süddeutschen Postillons" und Mitarbeiter des populären Stuttgarter Blattes "Der wahre Jakob" seit 1915 im Kriegsgeschehen in den Reihen der Vaterlandsverteidiger zu finden war. Wenn jemand volksliedhafte Verse über frühe proletarische Kampfaktionen, über Ansichten zum preußischen Militär und zum deutschen Kolonialverhalten sucht, der findet in Ernst Klaars Hinterlassenschaft nicht wenig bedenkenswerte Zeitzeugnisse. Vielleicht denkt jemand am 1. Weihnachtstag daran. Es ist sein 135. Geburtstag.

 

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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