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Gertrud Caspari

 

Gertrud Caspari

In Liebe zum Heranwachsenden

Vor 90 Jahren bereitete die 21jährige ihr schon zweites Buch vor, gut vier Dutzend sollten es werden: "Vom Hans, der nicht arbeiten will", eine Spielzeuggeschichte mit Versen von Heinrich Meise. Ein Jahr darauf folgte "Die Sommerreise". Bald zählte sie dank alljährlicher Neuheiten aus dem Born ihres Talents zu den bekanntesten Kinderbuchschaffenden Deutschlands, wohlgemerkt in Jahrzehnten, da weder Kino noch Funk für die heranwachsende Generation geschmacksbildend war. Ihre Illustrationen und Konzeptionen gerieten als so stilprägende Novität, dass der Künstlerin der Hamburger Senat 1947 nach bescheidenem, durch Gesundheitsbehinderungen beeinträchtigtem Leben - auch in Klotzsche und Lößnitz - erste summierende Würdigung eines beachtlichen Lebenswerkes bot.

Zur Hinterlassenschaft Gertrud Casparis, den Büchern, Grafiken und Texten, gehören auch Notizen, die das Format ihres Vaters, eines Chemnitzer Bürgers aus dem Großhandelsstand, vermitteln. Außerordentlich geschickt in allen Handfertigkeiten sei Robert Caspari gewesen, "regte uns auch frühzeitig zum Zeichnen und Malen an; er war Mitglied der Kunsthütte und kaufte öfters Gemälde und Kunstblätter." Noch ehe Gertrud an der Basedowschen Krankheit zu leiden begann, hatte sie ihre künstlerische Ausbildung vorangebracht, als Erzieherin auf einem Rittergut gearbeitet und ihre Entwürfe für die Ausstattung einer Chemnitzer Kunsthandlung realisiert gesehen. Im Kampf mit der Krankheit fand sie die Mittel, ihr Lebenswerk auf einer zuerst unbeabsichtigten Bahn zu gestalten, zu Heiterkeit und Humor zu finden und öffentliche Wertschätzung frühzeitig auch durch Ausstellungen etwa in Leipzigs Grassimuseum zu finden. Gertrud Caspari wurde zur reifen, berufenen Fibelkünstlerin, ihr Schaffen zum Ausgangspunkt des deutschen Anschauungs- und Darstellungsbuches. Kinderbilderbücher und Sachbücher für schulische Zwecke blieben ihr Metier - ein Biograph hat eine Gesamtauflage von 8 Millionen für 50 Titel ermittelt.

Bis Mitte Juni, weil länger als zuerst geplant, war dieses Jahr in Dresdener Räumlichkeiten die Gertrud-Caspari-Ausstellung kennenzulernen. Die Verlängerung ergab sich, wie dort zu hören, aus der Abneigung Chemnitzer K(ult)urfürsten, einem frühen Angebot zu folgen und ganz etatgemäß Gertrud Caspari in der Geburtsstadt ins recht Licht zu rücken. Die Ehre der Stadt versuchen verspätet, wie man hört, nun Stadtbücherei und Schloßbergmuseum zu retten.

Heute bewahrt eine Pyrmonter Stiftung ihres Namens die Schätze ihres Wirkens, die in Drucken und Originalen, Friesen und Texen weit verbreitet sind. Mit der Casparistraße im Lutherviertel hat Gertrud in keiner Weise etwas zu tun, die ist nach Professor August Caspari (1810-1890) benannt, Realschuldirektor hier 19 Jahre bis 1879 und Ehrenbürger der Stadt. Gertrud aber war Tochter des Garn- und Baumwollhändlers Traugott Robert Caspari. Ihre elterliche Wohnung, Neefestraße 13, wurde ein Kriegsopfer, das Grundstück überdeckt heute ein Q-25-Wohnblock. Doch die Abkommenschaft Gertrud Casparis vom mittelalterlichen Geschlechte Lucas Cranach d. Ä. ist unbestritten per Stammbaum verbürgt.


 

 Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi