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Rudolf Lappe

 

Prof. Dr.-Ing. Rudolf Lappe

Kriegszeiten zeitlebens seit 1914

Der Reformgymnasiast von der Schloßstraße erwarb erst in London seinen "Bachelor of Science", ein Studium an der damaligen Ingenieurakademie Chemnitz blieb ihm verwehrt. In der nahen Verwandtschaft kam ein jüdischer Rechtsanwalt gleich zu Beginn des Hitler-Reiches zu Tode: "Mein Vater war eingesperrt. Da hatte ich die Möglichkeit, nach England zu gehen und war sehr glücklich, daß ich dort studieren konnte und ein Stipendium für Elektrotechnik bekommen habe." Seine Gattin Sophie, eine Österreicherin, lernte er auch in dieser Zeit an der Themse kennen, und als sie gefragt wurde, warum sie ihren Mann nach Sachsen und nicht an die Donau nach Kriegsschluß begleitet habe, gab sie spontan zu "Ich wäre meinem Mann auf den Mond gefolgt!" Vor allem sollte die neue Bleibe, so fügte sie an, ein Land ihrer Sprache sein. In jener Stunde, in der Rudolf Lappe - 55 Jahre nach dem mehr als unfreiwilligen Weggang des Gymnasiasten - die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität in seiner Geburtsstadt zuteil wurde, war er wohl der einzige in der Runde, der von sich sagen konnte, in dieser Weise als Chemnitzer frühzeitigst die Chancen der Halbleiterphysik, speziell der Leistungselektronik mit ihren leistungselektronischen Bauelementen, erkannt zu haben. Seine Doktorarbeit zum Thema Rest-Ionisation bei Entladungen der Quecksilberdämpfe basierte auf diesen Londoner Impulsen wie auch die spätere Habilitation auf dem Gebiet der Antriebsregelung von Induktionsmotoren mit Gasentladungsventilen oder magnetischen Verstärkern.

So lobte die Laudatio Lappes enge Kontakte zur Industrie, sein Wirken am zuerst und lange einzigen Lehrstuhl seiner Disziplin hierzulande, seine Publikationen wie das Standard-Lehrbuch "VEM-Handbuch Leistungselektronik" und seine Gesamtperson als Hochschullehrer bis zur Emeritierung und darüber hinaus, "denn ich hatte mich schon immer für die Erziehung junger Menschen interessiert und hatte auch schon in London als Dozent gearbeitet." Lappes Enkelsohn ist übrigens abermals an der Chemnitz geboren.
Der Geehrte erwiderte hinsichtlich seines Zugangs zur Elektrophysik: "Ich konnte mich einer Gruppe anschließen, die am Birkbeck College in London unter Leitung von Prof. Bernal (John. D. vermutlich, der spätere Autor des berühmten Buches "Welt ohne Krieg" d. A.) an der Berechnung der Bildfehler von Elektronenmikroskopen arbeitete, wobei ich die Elektronenstrahlen als Partikel und auch als Wellen betrachten sollte." Das war vor jetzt exakt 60 Jahren und ein "echtes Problem für die Elektronenphysik,...aber damals war der Begriff Elektronenphysik noch gar nicht geprägt." Der Nestor des Wissenschaftsbereichs Stromrichtertechnik/ Leistungselektronik im späteren Beitrittsgebiet bevorzugte allezeit enge Industriekontakte in seinem Dresdener Raum und auch immer wieder mit besonderem Gefühl für seine Vaterstadt, die er unfreiwillig, doch lebensbewahrend gleichsam in letzter Minute verlassen mußte.

Als Prof. Lappe vor bald drei Jahren im TV-Magazin WIR danach gefragt wurde, warum er bei der Rückkehr aus England 1948 in die sowjetische Besatzungszone gekommen wäre, nannte er zuerst das Klettern in der Sächsischen Schweiz und das Skifahren im Erzgebirge. Dann fügte er hinzu, er habe sich schon immer sehr für soziale Fragen interessiert, zugleich mit dem Studium der Elektrotechnik Sozialwissenschaften studiert und im Londoner East-End auch sozial gearbeitet. "Und ich hoffte," fügte er hinzu, daß man im Osten von Deutschland ein solches soziales System entwickeln würde, daß es nicht zu solchen traurigen Fragen wie Arbeitslosigkeit und Jugendkriminalität, was ich auch in England erlebt hatte, kommen würde."
Unsere öffentliche Anfrage im "EXLIBRIS" im Januar führte erfreulich rasch zum Ziel. Über die berühmten fünf Ecken kamen zum bloßen Namen und ein paar Video-Meter bald Biografie und Adresse. Noch 1996 können Lebensansichten im Disput mit dem Elektrotechniker direkt verglichen werden: Die Reihe "Chemnitzer Köpfe" sorgt dafür.

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi