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Joachim Mueckenberger

 

Joachim Mückenberger

Kurt Mückenberger: Geibelstraße 62 , I. Stock

DEFA-Filme wie "for eyes only", "Der geteilte Himmel", "Nackt unter Wölfen" oder "Die Abenteuer des Werner Holt" zählen noch heute weithin zum erinnernswerten Fonds der Babelsberg-Produktion wie auch die legendären Streifen "Spur der Steine", "Mir nach, Canaillen" oder Maetzigs um mehr Wahrhaftigkeit in der Kunst bemühter Film "Das Kaninchen bin ich". Weit weniger im Gespräch, dass all diese Produktionen unter dem Direktorium eines gebürtigen Chemnitzers auf den Weg gebracht worden sind. Und er dafür den Preis des Berufsverbotes (nein nein, diesen Begriff gab es damals in Parteigremien natürlich nicht) zu zahlen hatte.
Der kleine, frisch sanierte Brunnen Geibelstraße brachte uns nun auch die Erinnerung an jene Chemnitzer Familie Mückenberger, die dort lebte. Geibelstraße 62, 1. Treppe, wohnte "Oberbäcker Kurt M.", dessen Kinder mit ihren wechselhaften Biografien teils höchst unterschiedliche Lebenswege im Jahrhundert der Diktaturen durchgestanden haben: Schwester Elsbeth, Hausfrau zuletzt und Verkäuferin zuvor, lebte noch kürzlich 93jährig draußen am Flughafen mitten unter uns Chemnitzern, Bruder Rudolf vom Jahrgang 1931 als Jurist i. R. bei Königswusterhausen. Erich, der Erstgeborene (*1910), hatte sich als alter Sozialdemokrat 1946 zusammen mit dem populären August Friedel, gleichfalls SPD, im Chemnitzer "Luxor-Palast" für den Anfang einer Sozialistischen Einheitspartei entschieden. Alle Blicke auf nahende bolschewistische Gefährdungen waren auch dank sowjetischer Besatzungsmacht massiv verdunkelt. Erich also, der Chemnitzer vom Jahrgang 1910, war gar bis zuletzt im höchsten Führungsbüro, dem Politbüro, und als DSF-Chef der DDR in Funktion. In Chemnitz ist er danach überwiegend unauffällig privat zu Besuchen aufgetaucht, vielleicht auch in Parteigremien in aller Stille. Dem Joachim aber, dem Jüngsten der fünf Geschwister, wurde jedenfalls, wie er uns wissen lässt, dieser 16 Jahre ältere Bruder durchaus zur frühen zweiten Vaterfigur. Da mag es wohl auch zu durchaus romanwerten Begebenheiten gekommen sein, als 1965 ein ZK-Plenum gegen besagte Wahrhaftigkeit in der Filmkunst massiv vorging.
Joachim Mückenberger saß als DEFA-Hauptdirektor im Saal, gleichsam als Angeklagter. 35jährig war ihm die Verantwortung in den Babelsberger Studios übertragen worden. "Ich rechnete mit einer Abreibung. Dass es allerdings so radikal sein und man die halbe Jahresproduktion verbieten würde, wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht," erinnert er sich im Jahrbuch "apropos Film 2001". Ralf Schenk hat ihn dafür ausführlich gesprochen, wie zuvor der Autor Ende `89 im damaligen "Hotel Moskau" für unser "Sächsisches Tageblatt". Joachim Mückenberger erzählte damals detailliert, wie man im DEFA-Studio nach der Bautzen-Haft Walter Jankas den schuldlos gemaßregelten Chemnitzer wieder in ein künstlerisches Arbeitsleben ("Goya" u.a.) geführt habe. Man kannte sich lange und hatte gute Gründe, Janka gern zu nehmen. Und der gemaßregelte Hauptdirektor Joachim Mückenberger hatte selbst so seine Erfahrungen seit dem 11. Plenum mit Funktionsentzug, Parteistrafen und Plätzen zur "Bewährung". Für ihn war später sogar ein delikater Direktorenplatz ausersehen, aus dem der Chemnitzer dann tüchtig erwachsen ließ, was nur irgend auf kulturpolitischem und denkmalspflegerischem Feld möglich war. Als "Generaldirektor der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci" oblag ihm zuoberst die Pflege des weitläufigen Juwels preußisch-deutscher Vergangenheit, das mit den Schlössern Charlottenhof, Babelsberg und Cecilienhof, dem Teehaus, der Galerie, den Kammern und Palais nur unzureichend skizziert ist. Joachim Mückenbergers intensive Filmbeziehung ist dabei nie auszulöschen gewesen. Schließlich trägt seine Frau Christiane als namhafte Filmwissenschaftlerin und langjährige Frontfrau der Internationalen Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche den Namen der Chemnitzer Bäckerfamilie und ehrt ihn - gleichfalls infolge des 11. Plenums gemaßregelt - auf ihre Weise. Und Joachim hat mit der Einrichtung des Filmmuseums der DDR im Marstall als Teil der Staatlichen Schlösser und Gärten zugleich für das Andenken solcher Chemnitzer wie des Filmpioniers Guido Seeber höchst seriös gesorgt. Dass inzwischen gar die alte, hochwertige Kinoorgel aus dem Chemnitzer Luxor-Palast dort wieder eingebaut und in Konzerten zu hören ist, mag auch bei ihm Erinnerungen an Chemnitz wachrufen. Seine Schulfreunde in Chemnitz jedenfalls sehen ihn noch gelegentlich und gern in zugegeben bereits kleiner werdenden Runden. Jetzt will er zeitig Bescheid sagen, wann es klappen könnte mit einem Gesprächsabend in unserer Bibliotheksreihe "Chemnitzer Köpfe". Mit Joachim Mückenberger dürfte wieder ein tiefer Blick in Lebenserfahrungen und die Formen der Standhaftigkeit gelingen. Vielleicht im Mai?

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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