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Johann Samuel Schwalbe

 

Johann Samuel Schwalbe

So groß war das Schwalbe-Bild noch nie. Der bärtige Einsiedler im Mönchsgewand schaut sanft wie immer auf sein Vögelchen - auf dem längsten Werbetransparent der Stadt an der Straßenkreuzung Brücken-/Bahnhofstraße. Eine Schwalbe hat sich auf der Armlehne niedergelassen, Korn im Schnabel, Riparia riparia sagen die Ornithologen. "Zum Wohl" prosten gemütliche Biertrinker einander zu - und haben auch auf den Dosenetiketten den Alten im Blick. Direkt an der Bierbrücke, die jetzt auch dank Bau-Umleitungen heftiger denn je passiert wird, ist ein Schwalbengruß von alters her als Wohnhaus erhalten, dass zudem dank Rundumgerüst offenbar der Sanierung näher gekommen ist. Unglaublich, aber wahr: Dieser schlichte Bau war um 1856 eines der frühesten Fabrikantenhäuser am Chemnitzfluß, umgeben damals von einem beträchtlichen Werksgelände an der Fabrikstraße, Keimzelle der späteren Germania- und Chemieanlagenhallen in Altchemnitz bis hin zu Lurgi - CLC. Hartmann kam ja weit später zur Fabrikstraße, eher noch Winklhofer & Jaenicke (Wanderer) gegenüber an der "Hohe Brücke". Was in DDR-Jahren jeder Kraftfahrer als KTA (Kraftfahrzeugtechnische Anstalt) kannte, kaum pompös, allenfalls mit kleinen Veranden oder Loggien zur Kaßbergauffahrt hin geschmückt, war unmittelbar neben dem Fabriktor gleichsam die Chemnitzer Version der Essener "Villa Hügel" der Krupps.
Seit 1811 gibt es die Unternehmungen Schwalbes in Chemnitz, zuerst am Theaterplatz (damals Anger/Gartenstraße/Marienstraße), schon größer in der Friedrichstraße (heute Hotelparkplatz Mercure), schließlich Fabrikstraße und - längst unter dem Namen "Maschinenfabrik Germania vorm. J. S. Schwalbe & Sohn" in Altchemnitz, der Filiale Kesselschmiede. Angefangen hatte Johann Samuel Schwalbe 1811 mit der Adresse Klostertor Nr. 622, ein Zimmermann, zugereist aus Brand bei Freiberg. Mit seiner durch Dampfkraft betriebenen Baumwollspinnerei war Schwalbe unbestritten der Erste hier. Frühe Innovation, "Chemnitzer Moderne", wird beschrieben, wenn im Nachruf für Franz Louis Schwalbe, dem dritten Sohn des Gründers, der frühe Wechsel vom Pferdegöpel zur Dampfmaschine gewürdigt wird: Moderne hatte viele Segmente!
Da nun aber Flauten und Krisenmanagement seit je zum kapitalistischen Marktgeschehen gehörten, erwies sich die Firma Schwalbe stets als ausreichend tüchtig und pfiffig. Als es etwa um den Absatz einiger Großkessel anno 1885 recht schlecht stand, kam der Gedanke auf, die schon auf Kiel liegenden Kessel für den indirekten Eigenbedarf zu benutzen. Als Geschäftsidee kam da eine eigene Brauerei als Käufer in den Sinn, die eigens zu diesem Zweck erst gegründet werden musste: Das "Einsiedler Brauhaus" entstand und gedieh bald im Zeichen mannigfaltiger Ernährungsbedürfnisse. Selbst die Niederungen der doktrinären Planwirtschaft (staatliche Beteiligung) kamen mit Placeboabfüllungen in die Firmengeschichte, die erst seit knapp zwanzig Jahren wieder im Fahrwasser der freien Konkurrenz rudert und manövriert. Neuere Fabrikationszweige wurden aufgenommen, andere aufgegeben - Normalität freien Unternehmertums.
Jetzt also ist ein Bauherr an dem Schwalbe-Haus, Fabrikstraße am Werke und bereitet die Vermietung vor: "Wohnungen und im Erdgeschoss stilles Gewerbe." Vielleicht findet sich auch Platz für eine Schwalbegalerie, also die Erinnerung an die Fabrikstandorte Schwalbes seit 1811. Denn in der Reihe wesentlicher Begründer Chemnitzer Fabrikruhms vor Haubold und Hartmann erscheint Schwalbes Weitblick heute zu oft übergangen und wird so leider nur geschmälert bewusst. Spätestens beim nächsten historischen Loktransport lässt sich auch das aber mildern.

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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