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Karl Kratzsch

 

Karl Kratzsch

Sechs Jahrzehnte für Fa. Otto H. Kratzsch

Eine Stadt wie Chemnitz sah Generationen erblühen und erlöschen. Wenige wurden zur Instanz. Kratzsch ist eine von jenen Instanzen, die seit der Monarchie sesshaft, gefragt, geschäftstüchtig und wandlungsfähig blieb. Nach kurzem Umbau-Intermezzo kehrt das altehrwürdige Drogengewölbe als Photohandlung jetzt erneut an den Markt zurück, angemessen modern fürs aktuelle Sortiment mit der verlässlichen Kompetenz für allen Kameragebrauch selbst in Zeiten digitaler Speicherunendlichkeiten und Defizite.
Petra Kratzsch, in fünfter Generation besonnen agierend, zeigt uns behutsam das Porträt des Firmengründers und ebenso das Bildnis des Karl Kratzsch, der vor hundert Jahren dabei war, als vor seinen Augen und gegenüber seinem Drogengewölbe das Neue Rathaus aufwuchs. Auch die alte Marktbebauung war damals noch intakt und die Feuerwehr hatte dort ihre Wache, wo jetzt der Durchgang zum Jakobikirchhof führt. Karl Kratzsch war vom Jahrgang 1875, keine 40 Lenze zur Rathausweihe und sein Sohn Werner, Petras Opa, gerade mal zwei!
Zuerst am Johannistor tätig, florierte das Geschäft schon seit 1837 in Chemnitz: Drogerie und Farbwarenhandlung. Das Grundstück am Markt 10 erwarb der Gründer für 10.000 Taler, fortan "Otto H. Kratzsch". Zum Drogengewölbe kam später - die Fotografen der Vor-Pixel-Zeit brauchten für Fixierbad exakte Chemikalien - die umsichtig stets hochmodern wachsende Fotoabteilung. Auch aus den Kriegstrümmern erstand "Kratzsch" mit allem Unternehmergeist, mit Pappe und Holzverschlägen irgendwie rasch, bevor erst der Marktumbau nach 1965 den Umzug ins Rathaus gebot: "Zur Miete", sagt uns Petra Kratzsch, die heutige Chefin der GmbH und Ur-Ur-Urenkelin des Gründers. "Bei Kratzsch bekommt man selbst das kleinste Seifenstückchen mit Akribie und sehenswert in Papier eingewickelt," erfreute sich Hans Dachsel 1960, als solcher Service hierzulande sonst längst wegrationalisiert und, sagen wir, aus der Mode gekommen war.
Seit 1900 wirkte Karl Kratzsch für sechs Jahrzehnte mit all ihren Verheißungen und Trümmerzeiten für 'seine Kundschaft'. Die Junioren ähnelten bald selbst dem Duktus des gleichsam klassischen Kaufmanns, die der Prinzipal behutsam im Auge hatte. "Otto H. Kratzsch" überlebte als Firmenname auch in Jahren, als etwa in Dresden "Charlotte Meentzen" als Markenname getilgt und von dem aparten "VEB Kräuter-Naturkosmetik" abgelöst werden musste. Heute längst wieder unter dem alten Martkennamen im Sortiment… Familie Kratzsch weiß Geheimnisse zu schützen, etwa Rezepturen. Kratzschs Augenwasser wird sich auch keiner EU-Überprüfung unterziehen: Verbindlich im Wort von Generation zu Generation. Typisch Mittelstand.
"Zum 150. Firmenjubiläum standen mal 50 Mitarbeiter bei uns in Lohn und Brot." Zu der Zeit war auch das Antikangebot kostbarer Apparate und Kameraseltenheiten für weit gereiste Experten längst berühmt - nicht wenige der guten Stücke in Lothar Warneckes Privatmuseum gingen hier über den Ladentisch, jedes Mal, wenn der DEFA-Regisseur zu Filmgesprächen und Dreharbeiten ins Erzgebirge kam.
Mit der Rathausweihe 1911 war auch der Ratskeller zur besten gastronomischen Adresse am Markt geworden - dort speiste der Senior gern, dort trafen sich die Chemnitzer 'Geschäftsleute'. Im neuen Kratzsch-Domizil im Rathaus wird an erhabener Stelle Platz für eine Porträtgalerie vorbehalten sein, reserviert für die Bildnisse aller Unternehmer, die dem Geist des alten Gewölbes auf moderne Art allezeit zu entsprechen trachteten.
So hat sich auch die Chefin nach 1990 zuerst gründlich in einem führenden Münchener Haus ihrer Branche tätig umgesehen. "Es war sehr lehrreich," lächelt Petra Kratzsch. Und dann verabreden wir uns zu einem guten gemeinsamen Mittagstisch im "Ratskeller", so, wie unsere Vorfahren nach der Rathausweihe 1911.

 

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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