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Joachim Walther

 

Joachim Walther

Joachim Walthers frühzeitige Resultate

Als 1979 im Roten Rathaus zu "Berlin - Hauptstadt der DDR" neun widerborstige Schriftsteller ferngesteuert aus ihrem Verband ausgeschlossen wurden, befanden sich diesseits und jenseits der Schranken des befohlenen Tribunals bekanntermaßen auch zumindest vier Chemnitzer: Neben Stefan Heym, Rolf Schneider, auf der Seite der Verteidiger jedenfalls Stephan Hermlin, "der 1979 als einziger überhaupt die Gelegenheit zur Gegenrede erhielt", und Joachim Walther, der mit einer Minderheit gegen den Ausschluss der neun ungehorsamen DDR-Schriftsteller stimmte. 1950 in Altchemnitz eingeschult, führten Joachim Walthers spätere Schulwege zunächst ins Stadtinnere: Das Agricola-Gymnasium zählt ihn zu seinen Abiturienten aus der Zeit, da es nicht mehr Horst-Wessel- sondern Karl-Marx-Oberschule hieß. Damals gab es das "Abitur mit Facharbeiterbief", wofür er im VEB Modul lernte. Vor der Studentenzeit schob er im Opernhaus Kulissen, "Lohengrin", nennt er uns zuerst. Dann aber folgte das Studium der Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität Unter den Linden.
Wer nun den Weg des jungen Mannes aus Karl-Marx-Stadt weiter im Auge behielt, fand dessen Namen auch in der "Weltbühne" oder als Herausgeber im Buchverlag "Der Morgen", zwei Jahre dann als Redakteur der "Temperamente". DEFA-Lektoren entdeckten seine Erzählung "Ich bin nun mal kein Yogi" für sich, woraus Herrmann Zschoche "Und nächstes Jahr am Balaton" gestaltete. Der seit 1983 freischaffende Schriftsteller bewegte sich für Hörspiel- und Buchproduktionen oft weiter in den Grenzen des Machbaren als erwünscht und erlaubt.
Frühzeitig stellte er die am Anfang der Honecker-Ära ausgesprochene These, in der DDR-Kunst gäbe es keine Tabus, auf die Probe. Für Walther war der DDR-Sozialismus "real pervertiert", er legte den Widerspruch mit literarischen Mitteln bloß und illustrierte am Einzelschicksal Folgen einer "staatlichen Erziehungsdressur": "Bewerbung bei Hofe", "Risse im Eis", "Doppelkopf", "Wachsende Entfernung", "Infarkt", "Lautlos und dennoch eine Stimme sagenhaft" kommen sofort Joachim Walthers Titel assoziationsstark zur Sache. "Infarkt" schrieb er schon 1975 für das Funkhaus Nalepastraße, doch dort blieb das Manuskript bis zum DDR-Exitus streng unter Verschluss. Die Auseinandersetzung mit opportunistischem Leben in diktatorischer Umgebung, das zur Anpassung zwingt, war nicht zu früh geschrieben, doch zu frontal für den Parteifunk. 1994 brachte der "Forum Verlag Leipzig" seinen Band "Verlassenes Ufer" heraus.
Die im ersten Absatz enthaltenen Anführungszeichen zur wörtlichen Rede verweisen auf ein Interview, das die Süddeutsche Zeitung 1993 zu Walthers szenischer Fernseh-Dokumentation "Die Amputation" brachte. "Ich bin nicht der Autor, der im Nachhinein auf den Regisseur und die Schauspieler einschlägt", erklärte J. W. dort im Zusammenhang mit Zutaten der Inszenierung, die vom Urheber so nicht vorgesehen waren. Ob dies auch auf Verwandlungen zutrifft, die Walthers "Yogi" in Babelsberg durchlief (Szenarium Inge Wüste-Heym) wird noch zu erfragen sein. Kostbar aber dort ein Satz, den man sich zwecks weiterem Umgang mit Andersdenkenden europaweit über Politikerbetten gehängt wünscht. Walther nennt Hermlin eine durch persönliche Beziehungen geschützte Ausnahmeerscheinung, einen "Grandseigneur der SED!" und sagt: "Aber wenn ich seine politischen Ansichten auch nicht teile, so achte ich ihn doch."

 

 

 Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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