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Karl Tschin

 

Prof. Dr.-Ing. Karl Tschink

Nationalpreisträger 1. Klasse 1972

Der Grabstein auf unserem Städtischen Friedhof nennt das Todesjahr 1977. Vor zwanzig Jahren kam Karl Tschink bei einem Hotelbrand am Roten Platz in Moskau ums Leben. In unsere örtliche Geschichte des Maschinenbaues hat er sich in mehrfacher Weise eingetragen, mit seinen Patenten wohl auch im größeren Format. Jedenfalls ist der moderne Flachbau im ehemaligen Heckert-Kombinat für das Vorhaben "Prisma 2" sehr eng mit seinen Visionen und seinem Handeln verbunden. Und dann das unfaßbare Unglück am Kreml. Man sagt, erst kurz vor seinem Abflug nach Moskau habe er als Direktor eine Arbeitsschutzbelehrung unterschrieben und verbreiten lassen, bei Brandkatastrophen die Sogwirkung der Fahrstuhlschächte strikt zu bedenken. Dann waren bald darauf seine sterblichen Überreste an einem solchen Ort zu identifizieren. Die Schulbank drückte Tschink lange in Niederwiesa. 1945 hatte es die Familie des 1933 in Betelsdorf/Slowakei geborenen dorthin verschlagen. Der junge Werkzeugmacher wurde nach Dresden zum Studium zugelassen - "delegiert" hieß das damals in der DDR - und war so tüchtig, daß er das seltene "Wilhelm-Pieck-Stipendium" erlangte. Seine Doktorarbeit verteidigte der Aspirant für Konstruktion schon an der Moskauer Hochschule: "Erhöhung der Effektivität von Scheibenbremsen".
Mit besten Moskauer Empfehlungen versehen, trat der 34jährige in sein letztes Lebensjahrzehnt, dauernd nunmehr hier in Karl-Marx-Stadt an der Chemnitz. Buchstäblich sogar, denn nach einer kurzen Station im "8.Mai" rief ihn Prof. Gläser 1965 an das Institut für Werkzeugmaschinen, Annaberger Straße.
1970 wurde er Gründungsdirektor des hiesigen Forschungszentrums für Werkzeugmaschinen. Er er-
schien als der richtige Mann für Vorlaufforschung, so daß er an einer Reihe einheimischer Werkzeugmaschinensysteme mit weit mehr als einem Impuls als Leiter beteiligt war: M 250! Prisma 2! Rota F 125! FZ 200! Sein Anteil an "Prisma 2" wurde mit dem
Nationalpreis 1. Klasse gefeiert.
"Im Wettlauf mit der Zeit" titelte die Illustrierte "NBI" 1971 ihr zweites Februarheft und sprach im fünfseitigen Hauptbeitrag mit Karl Tschink über die künftige Großforschung im Werkzeugmaschinenbau. Müßig heute zu fragen, wie dieser Wettlauf ausging. Die Chemnitzer Maschinenbauer wissen am besten ein Lied davon zu singen. Allein ein Tschink-Satz hat wohl doch Ewigkeitswert: "Überholte Vorstellungen über Bord werfen, heute infrage stellen, was gestern noch gut war." Dank dieser Rarität haben sich mehrere Namen wichtiger Wegbegleiter und Zeitgenossen des Professors erhalten: Peter Ullrich, Horst Leiser, Stephan Felber, Klaus Rietschl, Helmut Prausa.
Im Frühjahr 1977 war eine Wirtschaftskommission USA - DDR in Gang gekommen, Tschink hatte dazu als Mitglied des Forschungsrates der DDR in den Staaten verhandelt. Er galt als rastlos, innovativ, modern im Sinne des wirtschaftlich unersetzbaren westlichen Vorpostens der SU, und stand gewiß noch längst nicht am Ende seiner "Kaderperspektive". Vielleicht läßt sich nachträglich die Initialzündung für das konstruktive und politische Wirken Tschinks ermitteln? Die Vermutung liegt nahe, daß die Erlebnisse seines Vaters prägend wurden, denn dieser hatte nach Kriegsende fünf Jahre Sibirien erlebt... Karl Tschink fuhr als Delegierter zweimal zu SED-Parteitagen, brachte ein Jahr Parteihochschule in Moskau hinter sich, war zuvor Vorsitzender des Gesellschaftlichen Rates der THK, danach im RGW-Rat der Direktoren von Maschinenbauinstituten des östlichen Wirtschaftsblocks. Tschink sei nie ein Mann schneller Entschlüsse oder Äußerungen gewesen, hören wir bei einer ersten Erkundigung im Kreis Hinterbliebener, die am Bild von Karl Tschink mitwirken wollen, aus Familie, Wissenschaft und Umfeld.
Alle Chemnitzer sind eingeladen, sich mit ihren Erinnerungen und Überlegungen zu beteiligen, wenn am 13. November die Reihe "Chemnitzer Köpfe" ab 19.30 Uhr ein "Memento Karl Tschink" im Grünen Salon des Neuen Rathauses ermöglicht. Freilich auch alle anderen Interessenten, die sich von einer speziellen Art, die Vergangenheit zu verstehen, einen Eindruck verschaffen wollen.


Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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