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Wolfgang Loeser

 

Prof. Wolfgang Löser

Freigekauft am 18. 12. 1973

In diesem Agricola-Monat wird Professor Löser seiner Geburtsstadt einen Besuch abstatten. Das Gymnasium, das jetzt des Jubilars Namen trägt, hieß Karl-Marx-Oberschule, als dort der Schüler Löser 1961 das Abitur erwarb. Heute ist er selbst lehrender Jubilar, steht im Vorlesungsverzeichnis der Hamburgischen Hochschule für Musik und Theater an prononciertem Platz in den Fachbereichen "Evangelische Kirchenmusik",""Musikpädagogik", "Gesang und darstellende Kunst", "Komposition/Theorie, Musikwissenschaft und Dirigieren". Seine Spezialität ist die Phonetik, die Stimmkunde mit all deren hochsensiblen Spezifika.

Heute von Chemnitz nach Hamburg zu kommen, ist pauschal ebenso wenig ein Problem wie sonst in normalen Zeiten. Als Wolfgang Löser dort ankam, hatte er 18 Monate DDR-Knast hinter sich. Für den Chemnitzer Handwerkersohn (Vater war als Polstermeister aus der Lausitz nach Chemnitz gezogen) war trotz Hochschulreife der Studienbeginn verzögert. Erst im Herbst 1963 kam er zum halleschen Konservatorium, um als Chorsänger für Opernchor zu beginnen und sechs Jahre später zwei Staatsexamen vorweisen zu können: das des Gesangspädagogen und das des Opern- und Konzertsängers. So kam er - die BRD und die DDR bereiteten sich auf ihre 20. Jahrestage höchst unterschiedlich vor - als wissenschaftlicher Assistent zum Pädagogischen Institut Zwickau. Später, bereits Hochschullehrer an der Leipziger Karl-Marx-Universität, wurde eine längst erwogene Version zum Entschluss: Ein Aufenthalt in der VR Bulgarien soll zum Trampolin für den Sprung der Gruppe über den Eisernen Vorhang geraten. Doch weil das Kalkül ausgekundschaftet wurde, hieß der Zellenweg Sofia - Berlin - Halle - Berlin und zuletzt "Strafvollzugsanstalt Karl-Marx-Stadt". Der Haft folgte vor Ablauf der Frist endlich der Freikauf im Gefolge der changierenden Ostpolitik unterschiedlicher BRD-Regierungen, Freiheit!
In diesem Herbst jährt es sich zum zwanzigsten Male, dass Wolfgang Löser seine Berufung an die Hochschule für Musik und Theater in Hamburg als Dozent für Gesang erhielt, ein dutzend Jahre ist es jetzt im Mai her, dass ihn der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg zum Professor ernannte. Vorangegangen waren rasch nach Freikauf und Akklimatisierung Lehraufträge an der Hochschule für Musik in Freiburg/Breisgau sowie an der Universität Osnabrück. Die namens der Arbeiter und Bauern inhaftierte Kapazität konnte sich tüchtig entfalten.
Wenn Professor Löser jetzt nach Chemnitz zu Besuch kommt, wollen wir ihn auf die Bühne des Opernhauses führen. Denn hier war er mehrere Spielzeiten lang Beleuchter bis zu jenem Sommer 1963, bis dann der Studienplatz für ihn reifte. Wenn Sie, liebe Leser, fortan den "Hamburger Michel", das Wahrzeichen-Gotteshaus St. Michael sehen, sollten Sie auch an Professor Löser denken, denn dort wirkte er 15 Jahre allwöchentlich als Stimmbildner des St.-Michaelis-Chores. Für den Prozess der Deutsch-Deutschen Vereinigung, das Zusammenwachsen, kann Wolfgang Löser die unterschiedlich kultivierten "Denk- und Fühlweisen und Empfindlichkeiten von uns Deutschen in den beiden deutschen Staaten" nicht vorschnell wegschieben, hofft vielmehr auf ein gegenseitiges Zuhören, Verstehen und Begreifen: "Muss es ein oder zwei Generationen dauern? Wenn wir unsere Vorurteile (und 'Arroganz') nicht bekämpfen, dann dauert es vielleicht sogar noch länger", meint er mit reifem Sinn für Realitäten.

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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