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Gertrud Korb

 

Gertrud Korb

Vieler Leute Hoffnung war der neue Staat - in Ost und West

Zu Anfang des Jahres 1990 hatte die einzige Tochter der Obermedizinalrätin Gertrud Korb nur noch wenige Wochen zu leben. In ihrer zähen Verstrickung als dienstbarer Körper der DDR setzte sie ihrem Dasein ein Ende, folgte ihrer im März 1989 verstorbenen Mutter bald darauf schon in den Tod. Die tragische Tragweite der Familiengeschichte der Schweinfurter Juristentochter, ihre gern gerühmten Verdienste um den Wiederaufbau des Chemnitzer Gesundheitswesens in der Nachkriegszeit, ihr beachtlicher Platz im gesellschaftlichen Leben zwischen Klinik-OP, Rathaus, Kulturbund und Volkskammer jener Jahrzehnte bietet einen großartigen Vorwurf für künftige literarische Verarbeitung zwischen Roman, Tragikomödie und Kolportage. Da wartet ein Stoff auf einen Romancier von Format! Gleichsam als Erweiterung von Regina Hastedts "Ein Herz schlägt weiter" (1954), jener ganz zeitgerechten dokumentarischen Betrachtung der dramatischen Notoperation durch Frau Dr. Korb nach jener nächtlichen Messerstecherei im Sommer 1947 in der Concordia-Kneipe am Fuße der Bergstraße.
Jüngst ist in dem Band "Trümmer, Träume, neues Leben - Sachsen nach dem Krieg" die Biografie der durchaus legendären Doktorin Gertrud Korb erneut betrachtet worden; "epr" (d. i. Eva Prase) signiert den Text, fügt am Ende eine Aussage an, die jene Überlieferung objektiviert: Im Messerstecherstreit des jungen Deutschen sei ein Sowjet der Widerpart gewesen, vermutlich kein streng kasernierter Soldat, wohl eher ein Offiziersdienstgrad. Namen fehlen. Auch bis zum verzweifelten Suizid jener geheimdienstlichen Korb-Tochter, die einzig noch als Gemälde in den Kunstsammlungen auffindbar ist, stieß jene neueste Betrachtung nicht vor. Doch für die Totalsicht auf Biografien und angesichts des anhaltend gültigen Gebots, weiße Flecken auf Geschichtstafeln nicht hinzunehmen, muss auf das Dissa-Juko-Dasein der Tochter durchaus verwiesen werden.
Dem "Biografischen Nachschlagebuch über die sowjetische Besatzungszone Deutschlands SBZ-Biographie" ist zu entnehmen, dass Gertrud Korb 1952 als "Verdienter Arzt des Volkes" ausgezeichnet wurde, bis dahin bereits viermal die Medaille "Für ausgezeichnete Leistungen" erhielt, von 1950 bis 1954 als Stadtverordnete in Chemnitz arbeitete, seit 1954 der Volkskammer angehörte und deren Ausschuss für Gesundheitswesen, 1954 Vorsitzende der Bezirksleitung Chemnitz des "Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" wurde und seit 1958 auch Mitglied des Präsidiums der "Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse". Bis dahin also ein Ost-Lebenslauf der bis 1936 an der Universität Rostock Medizin studierenden jungen Frau, die drei Jahre vor Kriegsende ihre Tochter Jutta zur Welt gebracht hatte. "Chefarzt und ärztlicher Direktor des Krankenhauses Zschopauer Straße in Chemnitz" heißt es in dem Bonn-Berliner Band, "Parteizugehörigkeit SED". Schon Ende 1947 sprach die Chemnitzerin im Großen Festsaal des Berliner "Hauses der Zentralverwaltungen" (Leipziger Str. 5-7) als einzige Frau unter zwölf hohen Medizinern und bereits als Frau Obermedizinalrat zum Thema "Amtsarzt und Polikliniken", denn in Chemnitz war das Poliklinik-Prinzip durch sie und die Chemnitzer Stadtverwaltung schon vor Erscheinen des Befehls 272 der Sowjetischen Militäradministration realisiert: "Anlässlich der Hundertjahrfeier am 17. Mai 1952 waren die Gebäude soweit fertig gestellt," notiert sie über die Dauer der Enttrümmerung dort: Operiert und versorgt wurde parallel...
Irgendwo lebt - so ist zu hoffen - Juttas Sohn (Name uns bekannt, d. A. ), Gertrud Korbs Enkel. Frühzeitig bekam die Mutter - folgt man den gedruckten Überlieferungen - das Erziehungsrecht behördlich abgesprochen: Das 1961 geborene Kind störte wohl Stil und Pläne von Großmutter und Tochter, wuchs zweckmäßiger als Heimkind auf. Zeitgenössische Quellen in der Stadtbibliothek oder in hiesigen Archiven bieten ein grobes Gerüst für weiterführende Recherchen.
Summa summarum: Unzähligen Patienten hat die prominente Medizinerin dank Diagnose und Therapie geholfen. Das bleibe unvergessbar. Im Sog der Zeit und der gewählten Heimat ergab sich dabei aber manche Diagnose und Analyse, denen im gesellschaftlichen Leben ihrer Jahrzehnte eine bedenkliche Halbwertzeit, ein rasches Verfallsdatum beschieden war. Die Fronten schienen weithin so verhärtet, dass eine Rückkehr zu traditionell-demokratischen Rechtsformen in Deutschland und Osteuropa nicht in die Lebensplanung einbezogen werden brauchte: "Man muss mit seinen Entscheidungen leben." Das bleibt. Ob es neben den offiziellen Çußerungen private Überlieferungen gibt, die Gertrud Korbs Format präzisieren, kann der Forschung überlassen bleiben. Keinesfalls aber darf nicht zu bedenken gegeben werden Weg und Ende jener beiden Frauen, die sich auf den Chemnitzer Trottoirs gut ausgekannt haben - Gertrud Korb und Dissa Juko - wie sie in Fiedlers und Knechtels Buch "Stalins DDR-Berichte politisch Verfolgter" überliefert sind.

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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