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Johannes Riesner

 

Johannes Riesner

Gern der Wahrheit ein Stück näher

Der runde Todestag im Mai verstrich ohne nennenswerte Vorgänge am Grab des Ehrenbürgers Johannes Riesner. Das jüngste Adressbuch und manche Schrift der Stadtverwaltung verzeichnet bei jeder Gelegenheit solche Ehrenbürgerschaften aus allen Jahren seit 1945, erinnert an das Todesdatum vor exakt 20 Jahren, an den Geburtstag im April 1902. Durchaus denkbar, daß die im Sommer zur Pflege der Städtepartnerschaft mit dem finnischen Tampere nach Chemnitz kommenden Abgesandten von ihren Vorgängern Kunde davon haben, daß eben dieser Hans Riesner als politischer Handelsattaché in Finnland zu Zeiten des Botschafters Agricola eine Aktie daran hatte, daß es 1961 zu den "Tagen der finnischen Kultur in Karl-Marx-Stadt" kurz nach dem Mauerbau kam, daß vor 35 Jahren also diese Beziehung zwischen Alt-OB Kurt Müller und seinem Amtsbruder aus Finnland, diese noch heute wirksame Partnerschaft, aus der Taufe gehoben werden konnte.
Hans Riesners unvergeßbare Leistungen liegen in der Phase des frühen Wiederaufbaus der zerstörten Stadt Chemnitz. Er brachte als profunder Schulmann Volksbildung und Kunstleben unter mißlichsten Umständen gegen zähe Widrigkeiten ins Laufen, schaffte mit Leuten wie Kempe und Egelkraut, Görs und Kaesler den Neuanfang des Theater- und Konzertlebens in vier Ersatzspielstätten, machte das Gasthaus "Krone" zum Filmtheater "Welt-Echo", ließ die Trümmer am "Luxor" beräumen, damit Reparatur und Spielbetrieb rasch möglich wurden.
Zu Riesners Biografie zählen jedenfalls vor der Zeit in Finnland die Dresdner Jahre, in denen er dank seiner Position zu jener Delegation gehörte, die aus Moskau Schätze der Dresdner Galerie nach 1955 heimbegleitete. Heute bringen uns Dokumentationen wie das Taschenbuch "Beutekunst" (ISBN 0-297-81428-1) der Wahrheit um Plünderung, Kriegstrophäen und Zeitschicksale weitaus näher und es muß die Frage erlaubt sein, was damals ein Mann wie der frühere sächsische Volksbildungsminister und Botschaftsrat der DDR, der spätere Ehrenbürger Hans Riesner davon wußte oder auch nicht zu erfahren bekam, was er um seiner Parteiergebenheit willen verschwieg oder in der Chruschtschow-Ära des noch frostigen Tauwetters auch ihm verschlossen blieb? Man kann dem Kunstfreunde Riesner jedenfalls seine Freude glauben, der Rückgabe an zentralem Platz (Foto mit Außenminister Bolz bei der Unterzeichnung) recht aktiv beizuwohnen, den Bau der Sempergalerie zur Wiedereröffnung vor 40 Jahren als 1. Bezirkssekretär voranzutreiben und der Wahrheit aus seiner Sicht im Nachkriegsdeutschland dank aller Erfahrungen mit den vier Alliierten im Kontrollrat ein Stück näher zu kommen.
Als Kurt Maetzig im Filmtheater "Europa" in den 70er Jahren seinen letzten Film "Mann gegen Mann" vorstellte, saß Hans Riesner unauffällig im Publikum und die beiden Professoren, Regisseur und Attaché a. D., erinnerten sich im Gespräch daran, wie im Oktober 1960 Maetzigs "Der schweigende Stern" in Helsinki Premiere hatte und die DDR-Delegation von dort mit Riesner nach Turku und Tampere zu weiteren Premieren reiste. Vielleicht ist dabei die Beziehung Tamperes zur Stadt an der Chemnitz begründet worden?
Riesners Ableben war dann nicht ohne allegorischen Aplomb: Delegiert auch zu jenem ersten Parteitag der Vorhutpartei, der nach der diplomatischen Anerkennungswelle im neuerrichteten "Palast der Republik" stattfand, ging Riesner diesem Ereignis bestimmt nicht ohne Genugtuung entgegen. Man erfuhr, daß sein Herz noch am ersten Tag und auf seinem Platz im Saal versagte und bald darauf zur Ruhe kam. Das liegt also jetzt zwanzig Jahre zurück.
Wie meist, reicht der Raum dieser Rubrik nicht, Recht und Unrecht, Tun und Lassen, Antrieb und Resonanz einer Biografie total auszuleuchten. Doch bleibt man es einem Chemnitzer Ehrenbürger stets schuldig, Kenntnis von dessen Existenz weiterzugeben zum stillen Bedenken. Denn die Geschichte wird neu geschrieben. Immer mal wieder.

 

 Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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